Mission: Ihre Anfänge bis zum Apostelkonzil

Mission: Ihre Anfänge bis zum Apostelkonzil
Mission: Ihre Anfänge bis zum Apostelkonzil
 
Nicht erst mit dem Apostel Paulus beginnt die christliche Mission unter den Nichtjuden, sondern schon mit den »Hellenisten«, griechisch sprechenden Judenchristen, die nach der Ermordung des Hellenisten Stephanus aus Jerusalem fliehen mussten. Nach ihrer Flucht wurden sie zum Kern einer neuen Missionsbewegung, die die Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu auch in den griechischen Städten Palästinas, Phönikiens und Syriens verkündete.
 
Anfangs wandte sich ihre Predigt nur an die Juden vor Ort. Erst die Hellenisten, die nach Antiochien (Antiochia) in Syrien gingen, sprachen in ihrer Predigt auch Nichtjuden an. Diese Nichtjuden, die wir etwas antiquiert »Heiden« nennen, wurden nun nicht an öffentlichen Orten geworben, sondern in den Synagogen. Es handelte sich um »Gottesfürchtige«, um Griechen, die ein großes Interesse für das Judentum zeigten, am Synagogengottesdienst teilnahmen und neben dem Sabbatgebot noch weitere einzelne Gebote des jüdischen Gesetzes, der Thora, hielten. Sie waren aber nicht bereit, den letzten Schritt zum Judentum zu vollziehen, das heißt die Speise- und Reinheitsgebote einzuhalten und für die Männer sich beschneiden zu lassen. Mit diesem Schritt waren zahlreiche negative soziale Konsequenzen verbunden. So konnte ein zum Judentum Konvertierter, ein Proselyt, der die jüdischen Speisen- und Reinheitsgebote einhielt, nicht mehr mit seiner noch heidnischen Familie oder seinen heidnischen Freunden zusammen essen, da er durch die Art und die Zubereitung bestimmter Speisen unrein wurde.
 
Unter diesen »Gottesfürchtigen«, die in Antiochien zahlenmäßig sogar die Judenschaft übertrafen, warben die Hellenisten nun gezielt für die neue jüdische Gruppe der »Christianer«, wie sie bald genannt wurden. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, denn im Unterschied zur bisherigen Praxis von Juden und Judenchristen verlangten die Hellenisten von den Gottesfürchtigen weder die Einhaltung der Speisen- und Reinheitsgebote noch die Beschneidung der Männer. Allein der Glaube an Jesus Christus als Retter und Erlöser und die Taufe zur Vergebung der Sünden genügten, um Gemeinschaft zu erhalten mit Jesus Christus und allen, die an ihn glauben. Damit vollzogen die christlichen Missionare in Antiochien »einen Schritt von ungeheurer Tragweite« (Ludger Schenke), der zu einer allmählichen Loslösung der bis dahin noch gänzlich jüdisch geprägten christlichen Glaubensgemeinschaft vom Judentum führte.
 
Die antiochenische Missionspraxis stieß aber nicht überall bei den Judenchristen auf offene Türen. Das zeigt besonders eindrücklich der »antiochenische Zwischenfall«, der vermutlich zum »Apostelkonzil« führte. Über ihn berichtet uns Paulus in seinem Brief an die Galater (Galater 2,11-14). Danach hielt sich Petrus schon einige Zeit in Antiochien auf, als einige Leute des Jakobus aus Jerusalem die junge Gemeinde besuchten. Petrus, der bisher ohne Probleme zusammen mit den Heidenchristen gegessen hatte, bekam nun Angst vor den Jakobusleuten und verweigerte die Mahlgemeinschaft mit den Heidenchristen. Seinem Beispiel folgten auch andere Judenchristen in Antiochien, ja sogar Barnabas, einer der führenden Männer der antiochenischen Gemeinde. Damit brachte Petrus die christliche Gemeinde an den Rand einer Spaltung. Einzig Paulus, der schon vor Petrus zur antiochenischen Gemeinde gehörte, trat ihm entgegen und stellte ihn vor aller Augen zur Rede.
 
Aus dem im Galaterbrief Gesagten können wir schließen, dass die Jakobusleute die Aufgabe der Tischgemeinschaft der Judenchristen mit den Heidenchristen forderten. Das müssen sie mit dem Hinweis auf die Reinheits- und Speisegesetze getan haben. Ihrer Meinung nach waren die antiochenischen Judenchristen einschließlich Petrus und Barnabas gar keine richtigen Juden mehr, weil sie sich beim gemeinsamen Mahl mit Heiden ständig verunreinigten. Für sie gab es nur zwei Lösungen: Entweder mussten sich die Judenchristen von den Heidenchristen absondern, oder die Heidenchristen mussten mit allen Konsequenzen zum Judentum übertreten. Für die Jakobusleute konnte ein Heide also nur Christ werden, wenn er vorher zum Judentum übergetreten war, und zwar deshalb, weil das jüdische Ritualgesetz ihrer Meinung nach auch für Christen weiterhin zum Heil notwendig war.
 
Hätten sich die Jakobusleute durchgesetzt, hätte das nicht nur die Spaltung der Gemeinde vertieft, sondern es wäre auf Dauer auch das Ende der christlichen Heidenmission gewesen. Doch alle Beteiligten waren immerhin so einsichtig zu erkennen, dass das hinter den Differenzen liegende Problem grundsätzlich gelöst werden musste. Eine solche Lösung hat schließlich das »Apostelkonzil« in Jerusalem versucht. Über diese Versammlung haben wir leider zwei recht unterschiedliche Berichte, den des Paulus im Galaterbrief (2,1-10) und den des Lukas in der Apostelgeschichte (15,1-29). Beide verfolgen jeweils ihre eigenen Interessen, sodass kein Bericht von vornherein als der historisch angemessenere angesehen werden darf. Eigentliches Thema des »Apostelkonzils« war wohl nicht wie Lukas nahe legt die Forderung der Beschneidung für männliche Heidenchristen, sondern »die in Antiochien offen aufgebrochene Frage des praktischen Zusammenlebens von Juden- und Heidenchristen in gemischten Gemeinden« (Ludger Schenke). Darauf weist nicht nur der antiochenische Zwischenfall hin, sondern auch und gerade die in der Apostelgeschichte ausführlich behandelte Kompromissformel des »Aposteldekrets«. Diese von Jakobus auf dem »Apostelkonzil« vorgeschlagene Kompromissformel legt den Heidenchristen »rituelle Minimalforderungen« auf, befreit sie aber gleichzeitig von der vollen Einhaltung der jüdischen Speise- und Reinheitsgesetze.
 
Paulus lehnte auch diese Mindestanforderungen ab. Für seine eigene Mission konnte er sich damit durchsetzen, denn nach seinen Angaben in Galater 2,6 wurden ihm auf dem »Apostelkonzil« keine Auflagen gemacht. Doch Paulus blieb zunächst die große Ausnahme, denn das Dekret wurde durch eine Jerusalemer Delegation nach Antiochien, Syrien und Kilikien gebracht, um dann dort auch angewendet zu werden. Den Konflikt in Antiochien hat es sicher entschärft, für Paulus war aber von diesem Zeitpunkt an Antiochien keine Grundlage mehr für sein Wirken. Schließlich war der Streit um das Dekret wohl auch die eigentliche Ursache für das Zerwürfnis zwischen Paulus und Barnabas, nicht der Streit um Johannes Markus als Reisebegleiter. Barnabas akzeptierte die Forderungen des Aposteldekrets für die Heiden, Paulus nicht. Auf einer solchen Grundlage war keine gemeinsame Heidenmission mehr möglich.
 
Die Haltung des Paulus gegenüber den Auflagen des »Apostelkonzils« hat sich schließlich durchgesetzt. Wesentlich beigetragen zu dieser Entwicklung hat sicher seine unermüdliche Missionstätigkeit. Die Trennung des Paulus von Barnabas leitet damit einen neuen Abschnitt der Geschichte der urchristlichen Mission ein.
 
Dr. Angelika Strotmann
 
 
Bornkamm, Günther: Paulus. Festschrift Hans Freiherr von Campenhausen. Stuttgart u. a. 71993.
 Brown, Peter: Die Entstehung des christlichen Europa. Aus dem Englischen. München 1996.
 
Christologie, bearbeitet von Karl-Heinz Ohlig. Band 1: Von den Anfängen bis zur Spätantike. Graz u. a. 1989.
 Schenke, Ludger: Die Urgemeinde. Geschichtliche und theologische Entwicklung. Stuttgart u. a. 1990.
 Vouga, François: Geschichte des frühen Christentums. Tübingen u. a. 1993.

Universal-Lexikon. 2012.

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